In Artenvielfalt investieren

Biodiversität ist ein wichtiger, aber regelmässig unterschätzter Einflussfaktor für unser Leben. wiLLBe-Anleger:innen können Biodiversität mit ausgewählten Themen und Kreislauf-Aktien schützen.

Inhaltsverzeichnis:

In marktwirtschaftlichen Systemen ermöglichen Preise eine effiziente Allokation der Ressourcen. Genau dieser Lenkungsmechanismus ist bei der Biodiversität ausser Kraft gesetzt, weil die Unternehmen ihren Biodiversitäts-Fussabdruck nicht erfassen und für ihre negativen externen Effekte die Biodiversität betreffend nicht zur Kasse gebeten werden – drei Beispiele:

  1. Der vom Bäcker für den Weizen bezahlte Preis widerspiegelt nicht die wahren Kosten der grossen weltweiten Weizen-Monokulturen. 
  2. Der für Flug- und Schiffsreisen bezahlte Preis reflektiert nicht die wahren Kosten der Treibhausgasemissionen. Auch nicht für die Verschmutzung der Weltmeere durch schädliche Kraftstoffe und alte, leckende Schiffe. Und ebenso wenig die Kosten der Lärmemissionen.
  3. Die von den Erdölunternehmen bezahlten Fördergebühren beziehen die Kostenfolgen der Klimaverschmutzung nicht ein.

Die für 2023 angekündigte Taskforce on Nature-related Financial Disclosures (TNFD) sollte nicht nur die Anleger:innen, sondern auch die Unternehmen unterstützen, die Biodiversität als integralen Faktor der Preisfindung zu berücksichtigen.

Meeresschildkröte

Warum geht uns Menschen die Biodiversität etwas an?

Einige Wissenschafter vermuten, dass vor etwa 500 Jahren die sechste Phase des Massensterbens von Lebewesen angefangen hat. Im Verlaufe eines Menschenlebens ist der Verlust der Biodiversität nicht einfach festzustellen. Dieses Massensterben manifestiert sich über die Jahrhunderte. Wie beim Klima gibt es auch bei der Biodiversität Kipppunkte, welche die Folgen der schwindenden Biodiversität irreversibel machen.

Die Pflanzen und Böden von terrestrischen Ökosystemen nehmen jährlich 9.5 Milliarden Tonnen Treibhausgase auf, knapp ein Drittel der jährlichen Emissionen. Diese Funktion ist für uns Menschen überlebenswichtig.

Starker Rückgang der Wildtierpopulation seit 1970

Chart: Starker Rückgang der Wildtierpopulation seit 1970
Quelle: ourworldindata.org

 

Ein nicht gestoppter sechster Zyklus des Massensterbens würde die Versorgung der Weltbevölkerung mit Nahrung, Wasser und Luft in Frage stellen. Die Liste kann beliebig weitergeführt werden: Die Strom-, Kleidungs- sowie Medikamentenproduktion sind ebenfalls von der schwindenden Biodiversität betroffen.

Fazit COP15 in Montreal: Status quo birgt Risiken für Unternehmen

Der Status quo gefährdet die Aktiva der Unternehmen. Diese als «Stranded Assets» bezeichneten Aktiva schwächen die Bilanz der Firmen. Die am 19. Dezember 2022 zu Ende gegangene UN Biodiversity Conference (COP 15) in Montreal (Kanada) versuchte dieser Entwicklung gegenzusteuern. Jedoch waren kaum Staatsoberhäupter anwesend. Zudem nahmen die USA als Land nicht einmal an der COP 15 teil, nur einige US-Regierungsmitglieder fanden sich bei dieser Konferenz ein.

«Selbst für den Dienstleistungssektor ist Biodiversität ein wichtiger Faktor.»
Portrait Javier Lodeiro
Javier Lodeiro
Experte für Impact Investing bei wiLLBe

Für wiLLBe hängen alle Sektoren von der Biodiversität ab

Das World Economic Forum schätzt den Beitrag der Natur zum weltweiten Bruttosozialprodukt auf USD 44 Bio. Das entspricht rund der Hälfte der globalen Wirtschaftsleistung. Die OECD schätzt den Beitrag der Natur auf USD 125 – 140 Bio., rund anderthalbmal das weltweite Bruttosozialprodukt.

Führende Experten auf dem Gebiet des Naturschutzes und der Landschaftsökologie schätzen, 

  1. dass 75 % der Nahrungsmittel einem Bestäubungsprozess unterliegen; und
  2. dass 80 % der zugelassenen Medikamente aus Pflanzen stammen oder von der Natur inspiriert wurden.

Beispiele aus der Nahrungsmittelbranche gibt es viele. Ebenso einleuchtend ist die Abhängigkeit des Chemiesektors, der Textil- und der Papierindustrie. Auch urbane Zentren resp. Überbauungen sind biodiversitätsschädlich: Das World Economic Forum schätzt, dass 80 % des Abwassers unbehandelt in biodiversitätsreiches Süss- und Salzwasser entleert wird.

Bei wiLLBe sind wir der Meinung, dass auch viele andere Sektoren von der Biodiversität abhängig sind. Der Energiesektor lebt davon, dass er Erdöl und Gas auf die Erdoberfläche holt, wo nach der Verbrennung die Treibhausgase in der Luft verbleiben und so die Biodiversität vieler Lebewesen beeinträchtigen. Deshalb sehen wir den Klimaschutz als einen integralen Bestandteil des Biodiversitäts-Schutzes.

Selbst für den Dienstleistungssektor ist Biodiversität ein wichtiger Faktor. Hierbei denken wir an die Belastung durch Flug- oder Schiffsreisen oder an den Stromverbrauch von Softwareunternehmen. Für uns gibt es keinen Sektor, der nicht zum Biodiversitätsrisiko beiträgt.

Was wird heute bereits gemacht?

An der Biodiversitäts-COP 2010 in Aichi (Japan) wurden Biodiversitätsziele bekanntgegeben. 2020 haben Vertreter der Convention for Biodiversity zugegeben, dass die Aichi-Ziele nicht fristgerecht umgesetzt werden können.

Die G7-Länder verpflichteten sich im Mai 2021 zum 30x30-Ziel, das bis 2030 30 % der Land- und Wasserflächen zu Schutzgebieten erklärt. Die Weltnaturkonferenz nahm an der COP 15 das 30x30-Ziel auch als COP-Ziel an.

Natürlich müssen konkrete Massnahmen folgen. Insbesondere stellt sich die Frage, ob alle Länder gleichermassen das Ziel erfüllen sollen. Es gibt beispielsweise Länder, die rein topografisch mehr Schutzzonen haben können als andere. Dieses neue Ziel ist sicher ein Meilenstein, wenn die Länder konkrete Massnahmen ergreifen.

Grosses Potenzial bei den Schutzgebieten

Schutzgebiete:Stand Dez. 2022Aichi- Zwischenziele
per 2022
30x30-Ziel
Land und Binnengewässer16 %17 %30 %
Küsten und Meer8 %10 %30 %
Quelle: Convention on Biodiversity, www.protectedplanet.net

Wie hoch müssten die Investitionen in Biodiversität sein?

Die Aichi-Ziele aus dem Jahr 2010 beabsichtigten, biodiversitätsschädliche Subventionen in der Höhe von USD 500 Mrd. abzubauen. Das ist allerdings bisher nicht in ausreichendem Masse geschehen. In Montreal wurde erneut ein Anlauf genommen und dieses Ziel bestätigt.

Bei der COP 15 ging es um viel Geld: Um die Biodiversität zu fördern, identifizieren Experten notwendige jährliche Investitionen von knapp USD 500 Mrd. Das stellt etwa 0.5 % des weltweiten Bruttosozialproduktes dar – ein immenser Betrag.

In diesem Betrag sind die Kosten für die Energiewende noch nicht einmal berücksichtigt. Die EU finanziert lediglich ungefähr 60 % der notwendigen Investitionen in die Biodiversität. 

Chart: EU-Finanzierungslücke für die Biodiversität

Chart: EU-Finanzierungslücke für die Biodiversität
Quelle: Institute for European Environmental Policy (IEEP), LLB (eigene Darstellung)

 

Die COP 15 vereinbarte einen jährlichen Betrag von USD 200 Mrd. für die Erhaltung der Biodiversität, rund die Hälfte des gemäss Experten notwendigen Betrages. Die finanziellen Zugeständnisse der vermögenden Länder waren geringer als vom globalen Süden verlangt. Im Raum steht ein jährlicher Betrag von USD 20 Mrd., der Ende des laufenden Jahrzehntes USD 30 Mrd. betragen soll. Private Initiativen sollen gefördert werden. 

Neben der Tatsache, dass die Investitionsbeträge richtig hoch sind, identifizieren wir zwei Gründe für das zögerliche Vorgehen:

  1. Die Benefits dieser Investitionen kommen hauptsächlich zukünftigen Generationen zugute. Weil wir heute diese Benefits nicht sehen, investieren wir kaum.
  2. Die Staatshaushalte sind mit wenigen Ausnahmen nicht in der besten Verfassung, um derartige Beträge zusätzlich finanzieren zu können.

Katalog an Massnahmen der COP 15

In Montreal wurde ein ganzer Katalog an Massnahmen zur Förderung der Biodiversität beschlossen. Als die wichtigsten erachten wir:

  • Bis 2030 soll der Einsatz von Pestiziden um mindestens 50 % reduziert werden.
  • Das Aussterben bekannter Arten soll gestoppt werden.
  • Verringerung des Konsum-Fussabdruckes bis 2030, u. a. durch die Verringerung des erzeugten Abfalles. Auch der Food-Waste soll vermieden werden.

Wie immer bei einer COP fehlt es nicht an Zielen. Wichtig wird jedoch sein, dass die Länder konkrete Massnahmen ergreifen, um diese Ziele zu erreichen.

«MSCI führt erst 2023 ein Tool ein, das die Folgen einer Investition für die Biodiversität abschätzen lässt.»
Portrait Javier Lodeiro
Javier Lodeiro
Experte für Impact Investing bei wiLLBe

Biosphäre schonen – auch eine Aufgabe von Anleger:innen

Von diesen riesigen Investitionssummen sollten sich auch private Anleger:innen angesprochen fühlen. Derzeit fällen Anleger:innen Anlageentscheide, ohne zu wissen, wie die Unternehmen tatsächlich die Biodiversität beanspruchen. Im Sommer 2023 werden neue freiwillige Offenlegungen publiziert, die hier Abhilfe schaffen können.

Wir gehen davon aus, dass vor allem die grösseren Unternehmen diese Offenlegungen publizieren werden. Diese Offenlegung dürfte die Biodiversität mehr schützen als die Ergebnisse der COP 15. Das könnte der Startschuss sein, die Biodiversität stärker als Anlagefaktor zu verankern. Heute haben die Anleger:innen diese Informationen nicht.

So führt MSCI erst im Januar 2023 ein neues Tool ein, das die Folgen einer Investition für die Biodiversität abschätzen lässt. Alle Biodiversitäts-Strategien sind Annäherungen an einen möglichst schonenden Umgang mit der Natur. 

Welche Investitionen können die Biodiversität schützen?

Wir sind der Meinung, dass besonders die wiLLBe-Themen Sauberes Wasser, Klima- und Umweltschutz, Saubere Energie und Nachhaltige Ressourcen biodiversitätsfreundliche Strategien sind. Auch Unternehmen, deren Geschäftsmodelle der Kreislaufwirtschaft zugerechnet werden können, gehören dazu.

Bei wiLLBe investieren wir beispielsweise in das US-Unternehmen Advanced Drainage Systems, das Drainagesysteme für die Umwelt baut. Das Unternehmen rezykliert 60 % des verwendeten Plastiks. Dabei ist uns bewusst, dass Kreislaufwirtschaft einen anderen Fokus als Recycling hat.

Impact der erwähnten Themen

 MSCI World 1) Durchschnitt der
erwähnten Themen 1); 2)
Implizite Temperatur2.27 °C 1.98 °C
CO2-Emissionen 3)0.2080.099
Energieverbrauch (MWh) 4)0.760.342
1) je investiertem CHF
2) für die gleichgewichteten Aktien der erwähnten wiLLBe-Themen per 20. Dezember 2022
3) CO2-Gramm pro USD Marktkapitalisierung, je Tag
4) MW-Stunden pro USD Marktkapitalisierung, je Tag

 

Die Aktien der erwähnten wiLLBe-Themen sind teurer bewertet als der MSCI World. Dies ist jedoch dank der wesentlich höheren EBITDA-Marge gerechtfertigt. Die Dividendenrendite ist leicht geringer als die der Benchmark, weil das Wachstum der Unternehmen mit Eigenmitteln finanziert werden soll.

Traditionelle Finanzkennzahlen der ausgewählten Themen

 MSCI World Durchschnitt der
erwähnten Themen 1)
EBITDA-Gewinnmarge 2023E 20.2 % 29.3 %
Aktienbewertung EV/EBITDA 2023E 10.2 x16.0 x
Dividendenrendite 2023E 2.4 %1.8 %
1) Für die nach der Marktkapitalisierung gewichteten Aktien der erwähnten wiLLBe-Themen per 20. Dezember 2022
Portrait Javier Lodeiro

Javier Lodeiro

Experte für Impact Investing bei wiLLBe

Egal, ob es um erneuerbare Energien, nachhaltige Anlagen oder Biodiversität geht, Javier Lodeiro behält den Durchblick. Als LLB-Fondsmanager und langjähriger Finanzanalyst verfolgt und analysiert er bei der LLB die Nachhaltigkeitstrends. Javier begleitet dich auf deinem Weg als Investor:in mit Impact gerne mit Hintergründen und praktischen Tipps, damit wir nachfolgenden Generationen gemeinsam eine möglichst intakte Welt übergeben können.