US-Shutdown 2025: Symptom einer gespaltenen Demokratie
Seit Anfang Oktober 2025 steht ein grosser Teil der US-Verwaltung still. Der jüngste Government Shutdown lähmt Behörden, Forschungsinstitute und öffentliche Dienstleistungen und wirkt weit über Washington hinaus. Selbst wenn die Einigung nun naht, bleiben Ursachen, Folgen und Lehren aus dieser wiederkehrenden Krise von Bedeutung – auch für Anleger:innen.
Inhaltsverzeichnis:
"THE SHUTDOWN IS OVER, thanks to strength and determination of REAL AMERICANS! We stood strong, we won. Now let’s MAKE AMERICA GREAT AGAIN, stronger than ever before!"
Ist das der Tweet von Donald Trump, den wir in den nächsten Tagen lesen werden?
Government Shutdown: Folge der Uneinigkeit des Kongresses über das Haushaltsbudget
Ein Government Shutdown tritt ein, wenn sich Präsident und Kongress nicht auf ein neues Budget oder eine Übergangsfinanzierung einigen. Nach dem sogenannten "Antideficiency Act" dürfen Bundesbehörden ohne Bewilligung keine Ausgaben tätigen, sie müssen ihre Tätigkeit einstellen.
Betroffen sind Ministerien, Nationalparks, Zoll, Visa- und Steuerstellen. Nicht betroffen sind Bereiche wie Militär, Luftsicherung und Sozialprogramme wie Medicare oder Social Security.
Historisch gesehen sind "Funding Gaps", also Budgetlöcher, nichts Neues. Vor 1980 blieben Behörden auch ohne Budgetbeschluss geöffnet. Erst das Civiletti-Gutachten der 1980er-Jahre machte die Schliessung zur gesetzlichen Pflicht.
Seither sind Shutdowns in den USA ein wiederkehrendes Instrument politischer Auseinandersetzung geworden.
Die Gründe für den Haushaltsstillstand im Wandel der Zeit
Die Gründe für Haushaltsstillstände haben sich im Laufe der Jahrzehnte gewandelt – von inhaltlichen Budgetkonflikten zu Symbolpolitik:
- 1980er-Jahre (Reagan-Ära): Auseinandersetzungen über Staatsausgaben für Verteidigung und Soziales.
- 1995/96 (Clinton-Ära): Streit um Defizitreduktion und die Rolle des Staates.
- 2013: Der republikanische Tea-Party-Flügel blockiert das Budget, um den Affordable Care Act ("Obamacare") zu stoppen.
- 2018/19: Konflikt um den Bau der Grenzmauer zu Mexiko – Demokraten verweigern die Finanzierung.
- 2025: Erneuter Stillstand, ausgelöst durch Differenzen über Gesundheitssubventionen und Haushaltsobergrenzen.
Shutdowns sind heute weniger Ausdruck von Sachpolitik als von parteipolitischem Kalkül. Übergangsfinanzierungen werden nur kurzfristig beschlossen, um Druck aufzubauen. Der Stillstand wird zum taktischen Instrument und spiegelt die zunehmende Polarisierung in Washington.
Ökonomische und gesellschaftliche Folgen
Kurzfristig führen Shutdowns zu spürbaren Einschränkungen: Hunderttausende Bundesangestellte werden in den Zwangsurlaub geschickt oder arbeiten vorübergehend ohne Lohn. Steuererstattungen, Forschungsprojekte und Visa-Verfahren verzögern sich.
Langfristig wirken die Schäden subtiler, aber nachhaltiger. Der Haushaltsstillstand von 2019 kostete laut Congressional Budget Office rund 11 Milliarden US-Dollar an verlorener Wirtschaftsleistung. Wiederholte Stillstände schwächen das Vertrauen von Investor:innen und Bürger:innen in die Handlungsfähigkeit der Regierung.
Auch psychologisch hinterlassen Shutdowns Spuren. Die Wahrnehmung, dass Regierungsangestellte als "Geiseln" politischer Konflikte fungieren, nährt Frustration und Politikverdrossenheit. In der öffentlichen Meinung wird der Shutdown zunehmend zum Symbol einer dysfunktionalen Demokratie.
Die medialen Reaktionen auf den Shutdown
Die mediale Deutung von Shutdowns hat sich im Lauf der Jahrzehnte ebenfalls gewandelt und war stets von den Akteuren und den Bildern der Krise geprägt.
1995/96 wurde der Machtkampf "Gingrich vs. Clinton" zur PR-Schlacht, die Clinton dank Geschlossenheit und Humor gewann. 2013 dominierte der Tenor "A shutdown without winners", als der Tea-Party-Flügel das Budget blockierte. Der Stillstand 2018/19 unter Präsident Trump wurde zum "Wall Shutdown" – mit Schlagzeilen über unbezahlte Mitarbeiter:innen und blockierte Flughäfen.
2025 sprechen US-Medien von "Shutdown Fatigue", einer kollektiven Erschöpfung angesichts wiederkehrender politischer Lähmung. In Umfragen variiert die Schuldzuschreibung zwischen Republikanern und Demokraten, doch der Trend ist eindeutig: Wachsende Politikverdrossenheit und gleichzeitig der Wunsch nach automatischen Mechanismen, die den Staat handlungsfähig halten.
Ursachen, Bedeutung und Folgen des Shutdowns für Anleger
Shutdowns sind kein Randphänomen, sondern ein Symptom der strukturellen Polarisierung des US-Systems. Sie verursachen hohe wirtschaftliche und gesellschaftliche Kosten und dies bei geringem politischem Nutzen.
Reformvorschläge liegen auf dem Tisch:
- Automatische Übergangsfinanzierungen ("Continuing Resolutions"),
- Entkopplung sensibler Sozialausgaben von Budgetstreitigkeiten,
- Anreizsysteme für Kompromisse im Kongress.
An den Finanzmärkten zeigen sich Shutdowns oft weniger dramatisch, als die Schlagzeilen vermuten lassen. Während der Stillstandsphasen blieben US-Aktien historisch stabil, und nach der Wiedereröffnung folgten meist Kursgewinne.
Dennoch gilt: Politische Unsicherheit schadet der Planungssicherheit und untergräbt Vertrauen – auf nationaler wie globaler Ebene.
In den vergangenen 45 Jahren hat es sich nur zweimal ausgezahlt, Aktien kurz vor dem Ende eines Shutdowns zu verkaufen. Für Anleger:innen ist das wichtigste Fazit daher: Ruhe bewahren und politische Lähmung nicht mit wirtschaftlichem Stillstand verwechseln.